Samstag | 10. November 2018 | 16:38 Uhr
Mit einer Gedenkstunde in der Altstadtkirche und anschließender Kranzniederlegung vor dem Holocaust-Mahnmal am Kradepohl gedachten am Freitagabend rund 150 Menschen der Opfer der Pogromnacht vor 80 Jahren. Mit dabei waren auch Gäste aus der israelischen Partnerstadt Tirat Carmel mit Ehrenringträger Eli Fedida.
Neben einer Rede von Bürgermeister Daniel Zimmermann gab es eine szenische Theateraufführung unter dem Titel „Utopische Erinnerungen in die Zukunft“. Jugendliche des Gymnasiums und der Gesamtschule hatten sie mit Altersgenossen der Shifman Highschool aus Tirat Carmel unter der Leitung des in Berlin lebenden Regisseurs Ariel Nil Levy und des Choreographen Oren Lazovsky kreiert. Auch Eli Fedida spielte eine Rolle.
„Heute vor 80 Jahren, am 9. November 1938, brannten überall in Deutschland Synagogen, Häuser wurden angesteckt, Menschen gedemütigt, verschleppt und ausgeraubt. Etwa 1400 Synagogen wurden in Brand gesetzt oder zerstört; 7500 jüdische Geschäfte, Wohnungen, Gemeindehäuser und Friedhofskapellen wurden demoliert und ausgeplündert. Mehr als 400 Menschen kamen allein in der Pogromnacht zu Tode. Hunderte begingen Selbstmord oder wurden in den folgenden Wochen in Konzentrationslagern umgebracht oder in den Selbstmord getrieben“, erinnerte der Bürgermeister an die Greueltaten.
Er beließ es dabei nicht beim gesamtdeutschen Blick, sondern erinnerte auch gezielt an die damaligen Monheimer Vorkommnisse. „Schon am 8. November 1938, also einen Tag vor dem eigentlichen Pogrom, wurde in Monheim am Rhein der jüdische Friedhof an der heutigen Hasenstraße verunstaltet und beschädigt. Grabsteine wurden umgeworfen und zerstört. Noch am gleichen Abend wurden dann auch die drei jüdischen Wohnhäuser auf der Frohnstraße, der Grabenstraße und der heutigen Franz-Boehm-Straße mit Teer und roter Farbe beschmiert.“
Am Abend des 9. November 1938 habe sich die örtliche Parteispitze der NSDAP mit ihren Unterstützern und auch einigen SA-Mitgliedern im Saal Menrath - das ist dort, wo sich heute die Kneipe „Spielmann“ befindet - getroffen. Die Täter verabredeten die Einschüchterung der jüdischen Familien und machten sich auf den Weg zum ersten der drei jüdischen Wohnhäuser. Die beteiligten Monheimer warfen Steine in die Fenster, zerstörten Wohnungseinrichtungen und warfen Schränke, Porzellan, Lampen und andere Dinge auf die Straße. Sie verprügelten die Bewohner und zogen weiter zum nächsten Haus.
„Die Täter waren im Ort bekannt - biedere Bürger, die am nächsten Morgen wieder ihrer Arbeit nachgingen, als wäre nichts gewesen. Ebenso waren die Opfer bekannt - als Nachbarn und unbescholtene Menschen. Das änderte indes nichts daran, dass sie niemand vor dem umherziehenden Mob beschützte“, sagte Zimmermann und betonte: „Von den 18 Menschen jüdischen Glaubens, die in Monheim lebten, haben nur sechs den Holocaust überlebt. Unter den Überlebenden sind Artur und Marga Blumenfeld mit ihren Kindern. Sie wanderten rechtzeitig zwischen 1933 und 1935 nach Palästina ins heutige Israel aus und gehören damit zu den wenigen, die es schafften, denn die meisten blieben in Deutschland.“
„Warum auch hätte jemand Deutschland, seine Heimat, verlassen sollen? Die Monheimer Opfer fühlten sich hier zu Hause. Wie hätten sie ahnen sollen, dass ihre Nachbarn und vermeintlichen Freunde sich gegen sie stellen und sie in ihrem eigenen Heimatstädtchen entrechten und schließlich dem Tod ausliefern würden?“
Das Stadtoberhaupt warf nicht nur ein Blick zurück. So kämen heutzutage rechtsextreme, antisemitische und mittlerweile vor allem auch islamfeindliche Weltanschauungen in Teilen aller Gesellschaftsschichten vor. Studien zufolge seien 20 Prozent aller Deutschen islamfeindlich eingestellt, 16 Prozent antisemitisch und hätten Vorbehalte gegenüber Juden. 18 Prozent seien gegen Sinti und Roma eingestellt.
Der Bürgermeister appellierte: „Wenn wir nicht wollen, dass Menschen entrechtet werden, Gleiche zu Ungleichen gemacht werden, dann ist es an jedem von uns, auch den kleinen und alltäglichen Diskriminierungen zu widersprechen, nicht zuzulassen, dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Aussehens benachteiligt oder beleidigt werden. Tage wie der heutige fordern auf, darüber nachzudenken.“
Ansprache von Daniel Zimmermann herunterladen (pdf, 65 kb)
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